Kunst des Feldspiels by C Harbach

Kunst des Feldspiels by C Harbach

Autor:C Harbach [Harbach, C]
Die sprache: deu
Format: mobi
ISBN: 9783832186456
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


37

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»Komm«, sagte Hero während der Frühstücksschicht, »ich machen was drauf.«

Pella winkte ab. »Ach, lass nur. Geht schon.« Tatsächlich fühlte sich ihr Finger nicht besonders schlimm an. Er war steif und lila, tat aber nicht mehr allzu weh. Hin und wieder war sie damit gegen einen Topf, einen Teller oder die flache Kante der Spüle gestoßen und hatte einen kleinen Schmerzensschrei losgelassen. Küchenchef Spirodocus hatte ihr freigestellt, nach Hause zu gehen, aber sie wollte nicht nach Hause – sie wollte Besteck in Kästen einsortieren und die fettigen Rückstände von Speckstreifen aus flachen Pfannen strahlen. Wenn das Frühstück vorbei war, wollte sie die sogenannte Salatbar mit Ketchup, Sirup und Blaubeerjoghurt auffüllen, die gelbe Schicht von der Mayonnaise schöpfen und das Eis unter den Stahlwannen erneuern. Heute war Freitag, ihr Doppelschicht-Tag. Sie wollte arbeiten. Sie wollte nicht über die letzte Nacht mit Mike oder den Abend mit David nachdenken. Sie wollte hier sein, bei dem rollenden Portugiesisch und der blechernen Salsa-Musik, die aus irgendjemandes Radio plärrte, dem malmenden Gebrüll der Müllpresse und des Megaspülautomaten, Wasser überall, und dem zusätzlichen Gebrüll, wenn Küchenchef Spirodocus sich aufregte. Sie wollte in Bewegung bleiben, hier im Zentrum des Getümmels. Indem sie zu Vorlesungen ging, schwamm, arbeitete, sich Bücher in der Bibliothek lieh und zur selben Zeit schlafen ging wie ihr Vater, hatte sie ihrem Leben ein kleines bisschen Schwung gegeben. Sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass vier Jahre in Westish vielleicht nicht das Schlechteste waren. Gleichzeitig aber spürte sie, wie fragil dieser Fortschritt noch war, wie leicht es wäre, nachzulassen, zuzumachen und wieder dort zu landen, von wo aus sie gestartet war, den ganzen Tag im Bett zu verbringen, ohne schlafen zu können, voller Angst vor dem Tag und vor der Nacht gleich doppelt, nicht mehr ans Telefon zu gehen und nur noch Trost in dem Gedanken zu finden, nie wieder Trost zu brauchen.

»Komm her.« Hero winkte sie ungeduldig herbei. Mit einem Hackmesser kappte er ein Stück weißen Erste-Hilfe-Verband und klebte es ihr eng um den verletzten und den Ringfinger. »Kein Unfall so.«

»Hm«, sagte Pella beeindruckt. Sie sah hart aus, wie ein Footballspieler. Als sich nach ein paar Stunden der Kleber durch Wasserdampf und heiße Seifenlauge gelöst hatte, schnitt Hero ein weiteres Stück ab. Sie absolvierte ihre Doppelschicht, ohne sich noch einmal den Finger zu stoßen. Dann, nachdem das Mittagsgeschirr gespült, ihr Kittel vollständig von Essensresten und schmierigem Spülmaschinendreck bedeckt war und ihre Haut vom Fett klebrig-golden glänzte, sank sie mit einem frischen Eisbeutel für den Finger auf einen Stuhl an einem der leeren runden Esstische in Holzoptik. Auch das durch die großen, längs angeordneten Fenster einfallende Nachmittagslicht nahm einen fettig-goldenen Ton an. Bald würde David hier sein.

Zwischen den Schichten hatte Küchenchef Spirodocus ihr einen steifen Umschlag in die Hand gedrückt. Jetzt zog sie ihn aus der Tasche und war eigenartig aufgeregt, als sie die perforierte Ecke knickte und abtrennte. Und da war er – ein grundehrlicher Gehaltsscheck, ausgestellt auf den Namen Pella Therese Affenlight. Die Regierung hatte gewisse Abgaben einbehalten: Sozialversicherung, Medicare, Landes- und Bundessteuern. Sie beliefen sich auf 49,83 Dollar.



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